Nachhaltigkeitsoffenlegung: Eine Chance für Finanzberater*innen

Finanzberater*innen und Nachhaltigkeit: Die EU will, dass daraus eine Einheit wird. Finanzströme sollen im Sinne der Agenda 2030 dorthin umgelenkt werden, wo sie positiv auf Umwelt und Gesellschaft wirken. Geschäftsmodellen mit wesentlich schädlichen Wirkungen soll der Zugang zu Kapital erschwert werden. Ein wichtiger Baustein hierfür ist die Offenlegungsverordnung (LINK https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019R2088&from=EN). Diese verpflichtet Finanzberater*innen, sich ab dem 10. März 2021 zum Thema Nachhaltigkeit auf Homepages und in vorvertraglichen Informationen zu positionieren.

Eine Chance für Finanzberater*innen

Das Beraternetzwerk ökofinanz-21 sieht in der Offenlegungsverordnung eine große Chance. Die Verordnung ist ein guter Aufschlag für jede Finanzberater*in, sich die Frage zu stellen, wie Nachhaltigkeit in Zukunft in das eigene Geschäftsmodell integriert wird. Das Interesse für mehr Nachhaltigkeit trifft hier auf ungeahnte Möglichkeiten: Der Markt nachhaltiger Investments wächst rasant. Die Offenlegungsverordnung ist der erste regulatorische Schritt, Nachhaltigkeit in der Finanzberatung zu einem Qualitätsmerkmal zu machen.

Ökofinanz-21 empfiehlt Finanzberater*innen, ihre Energie auf die Umsetzung dieser Anforderungen und die Realisierung dieser Chancen zu fokussieren und nicht auf die Frage, wie sie den regulatorischen Vorgaben vielleicht doch entkommen könnten. Ziel sollte es sein, Investor*innen öffentlich und praxisnah auf einer betriebenen Homepage und in vorvertraglichen Informationen zu erklären, wie Investments konkret im Hinblick auf Nachhaltigkeit beurteilt werden.

Anforderungen der Offenlegungsverordnung

Die Offenlegungsverordnung verlangt von Finanzberater*innen, dass sie „Strategien“ und die „Art und Weise“ der Einbeziehung von „Nachhaltigkeitsrisiken“ darlegen. Im Einzelnen enthält die Verordnung die folgenden Verpflichtungen:

  • Auf Internetseiten verlangt sie Auskunft „über Strategien zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken“ (Art. 3 Abs. 2) und darüber, ob Finanzberater*innen bei der Beratung „die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen“ (Art. 4 Abs. 5, siehe auch 12 RTS vom 02.02.2021 (LINK https://www.eiopa.europa.eu/content/final-report-draft-regulatory-technical-standards_en).
  • In vorvertraglichen Informationen werden von Finanzberater*innen weitere Angaben verlangt über die „Art und Weise, wie Nachhaltigkeitsrisiken bei ihrer Anlage- oder Versicherungsberatung einbezogen werden“ und Aussagen über die „zu erwartenden Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken auf die Rendite der Finanzprodukte, die Gegenstand ihrer Beratung sind“(Art. 6 Abs. 2).
  • Darüber hinaus verlangt die Verordnung Angaben auf Internetseiten, inwiefern die Vergütungspolitik „mit der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken im Einklang steht“ (Art 5 Abs. 1). Und es ist eine Verpflichtung enthalten, dass Marketingaussagen zu Investments „nicht im Widerspruch zu den gemäß der vorliegenden Verordnung veröffentlichten Informationen stehen“ (Art. 13).

Praktische Umsetzung: Kurz und bündig

Für die Investmentauswahl und für Empfehlungen sind in der Praxis die folgenden Punkte wichtig:

  • „Strategien“ sind kurz gesagt Leitplanken des Handelns. Die Formulierung „Art und Weise“ bezieht sich auf das Wie des Handelns. Die Offenlegungsverordnung zielt damit auf die Praxis, wie Investments unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten beurteilt und ausgewählt werden. Verpflichtete Finanzberater*innen müssen also entsprechende Verfahren oder Standards entwickeln, die eine nachvollziehbare Investmentbeurteilung und -auswahl gewährleisten.
  • Mit diesen Formulierungen wird zugleich die Botschaft gesendet, dass Darstellungen der persönlichen Haltung und Motivation nicht länger ausreichen. Diese helfen zwar bei der Positionierung der Finanzberater*in im Markt, erfüllen aber die Offenlegungsverordnung nicht.
  • Die Offenlegung auf Homepages und in vorvertraglichen Informationen verlangt, dass die wesentlichen Eckpunkte der Auswahlverfahren oder Standards nachvollziehbar dargelegt werden. Dies kann zum Beispiel heißen, dass man beschreibt, welche der vielen Nachhaltigkeitsstrategien (Negativ- und Positivkriterien, ESG-Integration, Best-in-Class etc.) bei der Bewertung von Investments berücksichtigt werden. Ebenso könnten konkrete Mindestkriterien angegeben werden, die Investments erfüllen müssen, um im Rahmen einer Anlage berücksichtigt zu werden. Es könnte dargelegt werden, auf welche externe Bewertungsquellen wie SRI-Labels und Ratings die Finanzberater*in sich beruft. Oder es werden ganzheitliche Auswahlkonzepte formuliert, die eine Vielzahl an Perspektiven integrieren.

Praktische Umsetzung: Weitere Aspekte

Empfehlenswert ist weiter, die zentralen Verordnungsbegriffe der „Nachhaltigkeitsrisiken“ und der „Nachhaltigkeitsfaktoren“ zu klären. Diese Begriffe sind in der Verordnung sehr allgemein gehalten und für die Praxis in dieser Form wenig tauglich. Insofern ist von vagen Formeltexten für Homepages und vorvertragliche Informationen abzuraten, die zum Teil in allgemeiner Form von Anwaltskanzleien formuliert werden. Der Wortlaut der Offenlegungsverordnung verlangt hier mehr.

Ein Nachhaltigkeitsansatz, der wenig auf die Chancen nachhaltiger Investments und die damit möglichen positiven ökologischen und sozialen Wirkungen eingeht, und stattdessen vor allem „Nachhaltigkeitsrisiken“ im Blick hat, greift ohne Zweifel zu kurz. Wandel zu gestalten heißt immer beides: Risiken und Chancen zu betrachten. Der aufsichtsrechtliche Diskurs zum Thema Nachhaltigkeit hatte im Anschluss an den EU Action Plan aus 2018 anfänglich vor allem auf Risiken fokussiert. Das hieß vor allem: Betrachtung der Risiken für die Umwelt und Gesellschaft sowie Betrachtung der Risiken für Unternehmen und Finanzmarktakteure, wenn der notwendige Wandel zu mehr Nachhaltigkeit nicht mitvollzogen wird. Ganz in diesem Tenor definiert die Offenlegungsverordnung Nachhaltigkeitsrisiken als „ein Ereignis oder eine Bedingung in den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung, … [die] wesentliche negative Auswirkungen auf den Wert der Investition haben könnte“. Allerdings verändert sich dieser Fokus merklich. So werden in der Offenlegungsverordnung und in den Texten zur EU-Taxonomie nach und nach auch die Chancen der Nachhaltigkeit aufgegriffen. Insgesamt sollten nachhaltig orientierte Finanzberater*innen sowohl aus inhaltlichen als auch aus (aufsichts-)rechtlichen Gründen von vornherein einen Ansatz wählen, der Risiken und Chancen der Nachhaltigkeit grundsätzlich nebeneinander betrachtet.

Die inhaltliche Bestimmung von „Nachhaltigkeitsfaktoren“ bleibt in der Verordnung vage. Laut Offenlegungsverordnung gehören dazu: „Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung“ (Art. 2 Nr. 24). Hier müssen sich Finanzberater*innen mit ihrem Auswahlverfahren oder ihren Standards positionieren. Und sicherlich müssen solche Verfahren und Standards mit der Entwicklung neuer Daten- und Nachhaltigkeitsstandards, die in den kommenden Jahren zu erwarten sind, noch mehrfach angepasst werden.

Ein Nachhaltigkeitsansatz von Finanzberater*innen sollte aus Gründen der Transparenz und Ehrlichkeit deutlich darauf hinweisen, was heute möglich und was nicht möglich ist. Konkrete Investmentprojekte, die selbstredend entsprechend hohe Investmentrisiken beinhalten, können immer schon gut beschrieben und nachhaltige Wirkungen gut abgeschätzt werden. Um ähnliches auch im Hinblick auf gut gestreute Investments über offene Investmentfonds und Vermögensverwaltungen leisten zu können, fehlen noch viele Unternehmensdaten zur Nachhaltigkeitsperformance. Daran wird derzeit auf EU-Ebene mit Hochdruck gearbeitet. Für große Unternehmen ist hier in den kommenden Jahren einiges zu erwarten. Bis wir jedoch eine vollumfängliche Nachhaltigkeitsbewertung auf vergleichbarer internationaler Datenbasis zur Verfügung haben, die alle Unternehmen umfasst – große, mittlere, kleine, auch international über die EU hinaus –, wird noch einige Zeit vergehen. Bis dahin werden Investor*innen wie Berater*innen mit Annäherungen leben müssen. Auch große Ratinghäuser können mit ihrer Datenbasis an diesem Umstand nichts ändern. Auch diese sollten aus Gründen der Transparenz und Ehrlichkeit die begrenzte Reichweite ihrer Aussagen deutlich machen.

Verpflichteter Personenkreis

Insgesamt verpflichtet die Verordnung einen großen Kreis von Akteur*innen. Darunter werden „Finanzberater“ in der Verordnung explizit genannt. Unter diesem Begriff werden unter anderem „Versicherungsvermittler“, die „insurance-based investment products“ (IBIP) vermitteln, und „Wertpapierfirmen“ sowie „Kreditinstitute“ aufgeführt, die Anlageberatung anbieten (Art. 2 Nr. 11). Hinsichtlich der Definition für Wertpapierfirmen wird wiederum auf Rechtstexte der Mifid II verwiesen, sodass bei Zweifelsfragen hier eine tiefere Prüfung erforderlich wird.

Ob selbstständige Finanzberater*innen mit einer Zulassung nach §34d bzw. f Gewerbeordnung verpflichtet sind, hängt im Einzelfall von verschiedenen Faktoren ab. Mindestens muss eine Einschätzung gemäß der Verordnung differenziert für die Bereiche Versicherungsvermittlung und Investmentberatung erfolgen. Dabei sollte im Zweifel von einer unmittelbaren Gültigkeit dieses EU-Rechts ausgegangen werden.

Explizit ausgenommen von den Verpflichtungen der Offenlegungsverordnung sind lediglich die Finanzberater*innen, die „weniger als drei Personen beschäftigen“ (Art. 17 Abs. 1). Diese sind davon befreit, die genannten Informationen in der sonst geforderten Weise im Internet und vorvertraglich zur Verfügung zu stellen. Allerdings müssen auch sie Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Empfehlungen berücksichtigen (Erwägungsgrund 6). Die Ziele und die Begründung der Offenlegungsverordnung als Beitrag zur Agenda 2030 sprechen für eine Verpflichtung aller Finanzberater*innen und gegen Ausnahmen.

Fazit

ökofinanz-21 befürwortet eine klare und eindeutige Verpflichtung aller Finanzberater*innen, das Thema Nachhaltigkeit in ihre Praxis zu integrieren. Diese Forderung stellt das Beraternetzwerk seit über zehn Jahren. Nachhaltigkeit geht uns alle an. Insofern sollten alle Marktakteur*innen verpflichtet werden, sich hier zu positionieren und Fortschritte aufzuzeigen. Diese Idee des Wandels durch regelmäßige öffentliche Darstellung eigener Fortschritte kennen wir bereits vom UN Global Compact. Die Offenlegungsverordnung ist ein erster Schritt in diese Richtung. Weitere sollten folgen.

Solange für Finanzberater*innen keine generelle Verpflichtung formuliert wird, können zumindest diejenigen, die es mit Nachhaltigkeit ernst meinen, sich mit einer klaren Darstellung herausheben, wie sie nachhaltige Investments identifizieren und welche Nachhaltigkeitskriterien sie dabei berücksichtigen.

Autoren: Marcel Malmendier, Marcus Brenken, Nadja Schiller, Ingo Scheulen, Bernhard Rathgeber