Mehr als eine Pandemie: Corona ist die Chance für echten Neustart.
Ein bisher unbekanntes Virus hat uns weltweit erfasst. Nicht alle trifft es gleich. Und nicht alle reagieren darauf gleich. Vermutlich sind wir noch lange nicht damit durch.
In diesem Wochen und Monaten geht es nicht nur darum, die Infektionswellen im Zaum zu halten. So lange wir noch nicht genug über Covid-19 wissen, müssen wir mit Unsicherheiten, mit Versuch und Irrtum leben.
Die Folgen für unseren Alltag, für Arbeitsplätze und Sozialsysteme sind einschneidend. Das permanente Wachstum wurde abrupt beendet. Ein einfaches Weiter-so wird es kaum geben. Darf es auch nicht, denn das wäre fatal.
Corona hat Stärken und Schwächen unserer Art zu Wirtschaften und Leben offen gelegt.
Stärken:
Die Gefahren durch das neue Virus verlangte schnelles Handeln. In kurzer Zeit gab es Schnellabschaltungen, mit notgedrungen harten Beschränkungen, mit Aussetzen von Grundrechten. Anders als in autoritären Staaten geschah das aber nach Beratungen in weitgehendem Konsens. Nicht alles war gut abgestimmt oder logisch, und vieles läuft holperig und unkoordiniert. Aber es gibt nun mal keine Erfahrungen, auf die man zurückgreifen kann. Nach heutigem Stand darf man jedoch feststellen, dass wir in Deutschland Schlimmeres verhindern konnten. Bis jetzt.
Es gibt für die allermeisten keinen Absturz in plötzliche Armut, wie in anderen Ländern. Die Sozialsysteme (u.a. Kurzarbeitergeld) und staatliche Soforthilfen haben einiges hierzulande abgefedert, vorläufig jedenfalls. Gewaltige Geldmengen sind mobilisiert worden, viel mehr als während der Finanz- und Bankenkrise 2008-2009. Offen ist, wann, wie und von wem diese Lasten abgetragen werden …
Schwächen:
Wir sehen in diesen Tagen, dass einige Geschäftszweige nicht robust gegen unerwartete Einbrüche sind, ja sogar ohne staatliche Hilfe kurzfristig kollabieren könnten. Die globale Vernetzung offenbart nun die Verletzbarkeit, wenn die gewohnten Abläufe und Lieferketten unterbrochen sind.
Das Mantra vom ständigen Wachstum erweist sich als Fehlsteuerung. Der vielbeschworene freie Markt regelt gar nichts. Im Gegenteil: Ohne die gesetzlichen Leitplanken und das Eingreifen „des Staates“ gäbe es Chaos, Pleitewellen und Verarmung. Niedriglöhne und Billigimporte gefährden ein auskömmliches Leben und angemessene Preise. Dass nun die tierverarbeitende Industrie in den Blick gerät, macht für alle beispielhaft sichtbar, was schon lange schief läuft.
Abschied von der alten „Normalität“
Die Auflistung von Stärken und Schwächen wäre sehr lang. Heute wissen wir nicht, wie lange der Corona-Schock andauert und welche Schäden wir noch erleben. Neu ist für fast alle, dass wir mit mehr Unsicherheiten und Risiken leben müssen. Vom gewohnten „Wohlstand“ müssen wir uns vorerst verabschieden. Das ist nicht einfach. Für manche ist es sogar hart.
In Mitteleuropa lebten wir die letzten Jahrzehnte in vergleichsweise stabilen Verhältnissen, jedenfalls die allermeisten von uns. Kein Krieg, keine sozialen Unruhen, keine absolute Armut. Das unbekannte Virus und die noch nicht absehbaren Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft machen unsicher. Diese Ungewissheiten sind für uns neu. Wir müssen lernen, das auszuhalten und damit umzugehen.
Deshalb müssen wir nun nicht alle in Depression verfallen. Oder Hasspredigern hinterher laufen. Bekanntlich kann man aus Fehlern lernen – wenn man sie denn erkannt hat und die richtigen Lehren daraus zieht. Die vielen Stimmen aus der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und sogar aus der EU-Kommission machen Mut, dass das gelingen kann.
Appell für ein neues Wirtschaftswunder
Wir – ökofinanz-21 – haben einen Offenen Brief an die Bundesregierung und den Bundestag unterzeichnet. Darin fordern mehrere Organisationen aus dem Bereich Nachhaltigkeit und Klimaschutz einen Maßnahmenplan für einen zukunftsfähigen Neustart. Wir brauchen keine bloße Konjunkturförderung mit Kaufanreizen für die Autoindustrie und Geldspritzen für Lufthansa & Co. Die Ausrichtung auf das Gemeinwohl und eine echte Daseinsvorsorge muss die Richtschnur sein – für ein nachhaltiges Transformationspaket.
Die Pandemie kam quasi über Nacht. Irgendwann, so ist zu hoffen, wird sie erfolgreich eingedämmt sein. Anders die Klimakrise, eine globale Bedrohung mit Ansage. Bis jetzt ist sie nur vereinzelt mit ersten Vorboten spürbar. Weil sie aber menschengemacht ist, haben wir auch die Möglichkeit, dagegen zu steuern, um das Schlimmste zu verhindern. Aber nur dann, wenn wir nicht länger warten, sondern umgehend handeln. Denn wir wissen, was zu tun ist. Jedenfalls können wir es wissen.
Der nötige Neustart bietet die Chance für einen Kurswechsel.