Grüne Geldanlagen: Nichts als Nebel? – Eine Replik auf Ökotest

Für Finanzprodukte mit nachhaltigem Anspruch gibt es bekanntlich keinen allgemein anerkannten Standard. Die meisten Anbieter „grüner“ Kapitalanlagen bauen sich ihre Produkte nach eigenen Parametern zusammen. Das macht die Vergleichbarkeit nicht leicht, weder für die/den interessierte*n Anleger*in noch für diejenigen, die dazu beraten und vermitteln.
Das wird sich auch so schnell nicht ändern. Denn es ist und bleibt eine Werte-Entscheidung, die nicht mathematisch zu kategorisieren ist. Welche Anforderungen stelle ich an eine nachhaltige und wirksame Geldanlage? Was ist unverzichtbar? Was ist wünschenswert? Was ist weniger wichtig? Was ist irrelevant?
Unvermeidlich kommt man zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen und Bewertungen. Ist das nun schlimm oder nicht? Für die Ökotest-Autorin Barbara Sternberger-Frey ist die Antwort (immer schon) klar: Es ist alles ungenügend, mangelhaft oder unglaubwürdig. Dieses Ergebnis wird einem im neuesten Vergleichstest von 19 Siegeln für grüne Kapitalanlagen gleich im Titel verkündet: „Nichts als Nebel“ (Ökotest, 04/2018, Seite 116-123).
Damit reiht sich der Beitrag in das bekannte Bashing ein: „Grüne Fonds täuschen vielfach Anleger“ (Thüringer Allgemeine, 02.01.2017). Das fördert die Einstellung, dass ich mich doch nicht um die Neuausrichtung meiner Geldanlagen kümmern muss. Es nützt ja eh nichts. Dies ist eine fatale Botschaft, weil es diejenigen unterstützt, die nicht einmal versuchen, ökologische und soziale Auswirkungen ihres Handelns zu berücksichtigen.
Wir haben da einen anderen Blick auf die Dinge. Die großen Herausforderungen im 21. Jahrhundert sind bekannt und im Prinzip auch weitgehend anerkannt – außer von den Liebhabern „alternativer Fakten“. Dazu gehören auch:

  • Begrenzung des Klimawandels und Umgang mit den Folgen
  • Grundbedürfnisse für alle sichern
  • Ressourcen schonen: Boden, Wasser, Luft
  • Natur und Vielfalt erhalten
  • Sozialer Zusammenhalt statt „Me first“
  • Kooperation statt Konfrontation

Die Debatte um die UN-Entwicklungsziele der Agenda 2030 (SDG) zeigt schon, dass nicht alle Aspekte für alle gleich bedeutsam sind. Dennoch ist ein Rahmen gesetzt, innerhalb dessen die Aufgaben angegangen werden sollen.
In Bezug auf das Geld sehen wir das so: Geld ist kein Wert an sich, sondern Mittel zum Zweck. Wenn wir uns darauf verständigen, dass Geld für eine enkeltaugliche Zukunft eingesetzt werden soll, geht es nun darum, wie das am Wirksamsten erreicht werden kann.
Natürlich gibt es Streit darüber, was nun vorrangig zu tun ist und ob z.B. die Gentechnik eine nützliche Funktion haben kann oder nicht. Bei der Erarbeitung der Matrix für nachhaltige Investmentfonds haben sich die Fachleute in der Arbeitsgruppe des FNG zum Beispiel lange und kontrovers darüber gestritten, ob der Ausschluss von Atomkraft und ein Ausstieg aus den fossilen Energieträgern ein wesentliches Kriterium bei grünen Fonds sein muss.
Die Kernfrage ist doch: Wer tut was, wie viel und wie glaubhaft dafür, dass die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung erreicht werden können? Wenn der norwegische Pensionsfonds, weltweit der größte Staatsfonds, den Ausstieg aus der Kohle als Ziel erklärt und Schritte dahin einleitet, dann ist das eine Kursbestimmung in eine Richtung. Auf dem Weg dahin wird es noch viele Kompromisse und auch Rückschläge geben.
In einer Finanzwelt, die auch nach der Krise von 2008 unverändert an der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen mitwirkt, kommt es unseres Erachtens darauf an, diejenigen zu stärken, die einen anderen Weg einschlagen. Die Versuche, dies mithilfe von Transparenz- und Gütesiegeln zu tun, sind deshalb zu begrüßen. Bei allen Schwächen, die Ökotest benennt, setzen sie die Themen auf die Agenda. Und das ist gut so.
Das Jammern über den „Nebel“ hilft niemandem. Die Initiative aus der EU-Kommission, für Finanzprodukte bis Mitte 2019 verbindliche Standards zu entwickeln, ist daher zu begrüßen. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorn. Auch wir sehen noch viel Klärungs- und Aufklärungsbedarf. Aber: Wir sehen das Glas nicht halb leer, sondern erst halb voll. Der Nebel, den Ökotest beklagt, ist nicht so undurchdringlich. Außerdem wird er sich weiter lichten. Daran arbeiten wir gern mit.

© Ingo Scheulen, 03.04.2018