Zentral-dezentral

Zentral oder dezentral?

Woher kommt morgen unsere Energie?

Wie sieht die Zukunft der Energieversorgung aus? Zentral oder dezentral? Und wie ist das mit dem Projekt Desertec? Während Mitglieder des Club of Rome und seit kurzem auch greenpeace energy für einen massiven Ausbau der Solarkapazitäten in der Wüste plädieren, treten Euro-Solar und das ebenfalls renommierte Wuppertal Institut für Klima; Umwelt, Energie für eine Stärkung dezentraler Versorgungsstrukturen in Deutschland ein.

Hintergrund des Sinneswandels bei greenpeace energy ist laut Aussage von Marcel Keiffenheim, dass der Klimawandel wesentlich schneller voranschreite, als bisher angenommen und deshalb ein schnellerer Ausbau CO²-neutraler Energiequellen nötig sei, als dezentral erreichbar. Dies bestätigt mit entega ein weiterer nachhaltig orientierter Energiedienstleister: Auf lokaler Ebene treffe man zunehmend auf Widerstände, wenn es beispielsweise um den Bau neuer Windkraftanlagen gehe.
Der notwendige Ausbau der Kapazitäten ist so nicht zu schaffen. Auch die Umsetzung von Energiesparmaßnahmen im Haushalt sei schwierig so Holger Mayer von entega. Habe man Energiesparlampen installiert und standby-Betrieb der elektrischen Geräte ausgeschaltet so seien für die nächsten 15% Stromersparnis durchschnittliche Investitionen von 8.000.- € notwendig. Dem stehen aber nur Stromkostenersparnisse von ca. 100.- € pro Jahr gegenüber.
Tobias Morell von der desertec foundation führt an, dass aus dezentralen Quellen in Deutschland weder die Menge an Strom noch die Zuverlässigkeit und der Preis gewährleistet werden könne, den beispielsweise die Industrie benötige.
Dem halten Kritiker des zentralen desertec-Projektes entgegen, dass die technische und finanzielle Realisierbarkeit von desertec kurzfristig genauso wenig gegeben sei. Die zentrale Strategie, so Hermann Scheer gehe mit einer Zementrierung der Vormachtstellung einiger weniger Energiekonzerne einher und gefährde hunderttausende von Arbeitsplätzen, die im Bereich dezentraler Systeme in den letzten Jahren entstanden seien.
Dr. Martin Hoppe-Kilpper von deeNet e.V. bestätigt, dass mit der Zentralisierung der Energieversorgung ein massiver Kaufkraftabfluss aus den jeweiligen Regionen verbunden ist, während eine dezentrale Versorgung regionale Wirtschaftskreisläufe stärke. Er plädiert für einen Paradigmenwechsel vom Konsumenten zum Produzenten. Fast jeder Hausbesitzer könne heute zum Stromproduzenten werden und damit nicht nur einen Beitrag zur Vermeidung der Klimakatastrophe leisten, sondern sich auch von einer Abhängigkeit befreien, die ihre Ursache in politischen Entscheidungen hat. Viele Regionen in Deutschland seien bereits energieautark. Man muss die Selbstverständlichkeit einer rohstoff- und energieintensiven Industriekultur, die auf globaler Ebene ohnehin nicht tragfähig sei grundsätzlich in Frage stellen.
Unabhängig welcher Sichtweise man sich letztlich anschließen will – vermutlich wird sich in der Realität ein Mischsystem aus zentralen und dezentralen Versorgungssystemen etablieren – es besteht kein Zweifel daran, dass so oder so die Zukunft den erneuerbaren Energien gehören wird.