Aus Anlass Causa VW: Blue Chip – eine Begriffs(er)klärung

Innerhalb weniger Tage hat die Blue Chip-Aktie des Volkswagen-Konzerns über 40% ihres Börsenwerts verloren. Es ist bekannt warum. Anlass für uns, sich Gedanken zu machen, was hinter dem Begriff „Blue Chip“ steckt.

Solide Standardwerte?

Im Börsenlexikon der FAZ lesen wir: „Als „Blue Chips“ oder Standardwerte werden umsatzstarke Aktien großer Unternehmen bezeichnet, auf deren Kursentwicklung führende Indizes beruhen. Sie zeichnen sich durch ein hohes Handelsvolumen und eine höheres Engagement institutioneller Investoren aus. Die Kursschwankungen fallen in der Regel geringer aus.“

In Deutschland zählen dazu die 30 umsatzstärksten Unternehmen, die im DAX gelistet sind. Dazu gehören unter anderem die Allianz, Bayer, BMW, Daimler, Deutsche Bank und, ja auch Volkswagen. Internationale Blue Chips sind z.B. BP, Coca Cola, General Electric, Monsanto, Pfizer, Rio Tinto, Siemens oder Toyota.

Es gehört zu den Glaubenssätzen in der Finanzwelt, dass man mit den Aktien der Schwergewichte nichts verkehrt machen kann. Glauben trübt aber oft die Wahrnehmung und verleitet zu falschen Schlüssen. Zur Zeit müssen die so genannten Börsianer zum wiederholten Mal lernen: Nein, Blue Chips haben nichts mit Solidität und Sicherheit zu tun. Mit ethischer Verantwortung auch nicht.

Die Kurse bewegen sich seit April abwärts. Immer neue Skandale werden aufgedeckt: Korruption, Steuerhinterziehung, Verbrauchertäuschung. Der systematische Betrug bei VW wird nicht nur finanziell sehr teuer werden. Er hat auf lange Sicht die Reputation nicht nur von VW beschädigt. Und das kann Folgen weit über VW hinaus haben.

Das große Casino

Das führt uns zurück zum Begriff „Blue Chips“. Er stammt aus der Welt des Casinos. Die blauen Jetons (Chips) hatten immer den höchsten Wert. Mit Blue Chips steigerten die Pokerspieler erheblich ihren Einsatz. „Und so ist das heute auch noch in der Börsenwelt: Die großen Dax-Unternehmen (…)haben viele Privatanleger aber auch Großanleger als Basis in ihren Aktiendepots. Von ihnen wird Sicherheit und ein beständig steigender Wert erwartet.“ (aus Börsenlexikon der „Telebörse“ von n-tv)

2008 wurde für viele zum ersten Mal klar, dass die Welt der Finanzen eigentlich ein gigantisches Casino ist, in dem mit dem Geld anderer Leute gezockt wird. Nun werden honorigen Firmen des „Made in Germany“ erwischt. Was heißt das für Anleger?

Wenn man bei vertretbarem Risiko solide und „anständig“ anlegen will, sollte man Aktien und Anleihen von Betrügern und Zockern meiden. Die Talfahrt der Kurse von Blue Chips zeigt: Diese Wertpapiere haben keinen Wert.

Nachhaltige Geldanlagen sind zwar immer noch eine Nische. Aber diese Nische wächst erkennbar – und ohne Tricks.

© Ingo Scheulen, 28.09.2015